2023: Balkan – Türkei – Kaukasus

Balkan 2023

Detailkarte hier

Das perfekte Timing…
…gibt es nicht. Wie man es dreht und wendet, wenn man eine Strecke von mehreren Tausend Kilometern mit dem Fahrrad zurücklegen will, wird es unweigerlich an dem einen Ende zu kalt oder am anderen Ende zu heiß sein. Oder umgekehrt. Oder beides. Dazu können Regen und Gegenwind sowie klimawandelbedingte Unwägbarkeiten jegliche Planung über den Haufen werfen.

Auf unserer ersten Balkanreise war die Idee geboren, immer weiter zu fahren, bis in die Türkei und noch weiter, nach Georgien und Armenien. Das war 2021, da waren wir im Spätsommer in München gestartet, und Ende Oktober wurde es auf der Peloponnes schon ziemlich ungemütlich. Es reichte auch. So flogen wir von Athen aus zurück.

Dieses Jahr sind wir früher aufgebrochen und wieder in Richtung Südosten geradelt, quer durch den Balkan und dann immer weiter. Zweieinhalb Monate, 5000 Kilometer, 10 Länder…
Da wir weder Tablet noch Notebook im Gepäck trugen und unterwegs sowieso weder Zeit noch Lust zum Schreiben und Fotos sortieren hatten, kommt nun eine zusammenfassende Rückschau.

1. Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien (Mai 2023)

Verschlafen steigen wir am 10. Mai um 6 Uhr morgens in Wien aus dem Flixbus. Blauer Himmel, Sonne, 6 Grad Celsius. Wir drehen eine kurze Runde durch die Innenstadt, im Stephansdom endet gerade eine Morgenandacht, und auf dem Vorplatz sind Straßenfeger bei der Arbeit. Ansonsten ist alles wie ausgestorben. Ein Frühstück wäre jetzt gut. Im Vorbeifahren sehen wir die Oper, das Café Sacher, die Universität. Und schließlich das vertraute Logo eines Discounters, Hofer heißt er hierzulande. Gerade wird geöffnet. Wir frühstücken auf einer Bank davor, und schon geht es los, auf dem Euro Velo 6, dem Donauradweg, geradewegs nach Osten! Die ersten 40 Kilometer fahren wir durch den schönen Donauauen-Nationalpark. Kaum jemand ist unterwegs, es ist noch früh. Ein frischer, sonniger Morgen, wieder mal ein Neubeginn. Viele Kilometer liegen vor uns. Welche Begegnungen wird es geben, welche Erfahrungen? Welche Wunder, und welche Unbilden?

Da ist schon die erste. Gegenwind! Ziemlich zäh, und genau aus Osten. Die ersten Radfahrer, die wir treffen, prophezeien für die nächsten Tage nichts Gutes: wahre Regenmassen und noch mehr Wind…
Am Nachmittag folgt ein kleiner Abstecher in das historische Zentrum von Bratislava, Hauptstadt der Slowakei. Viel Geschichtsträchtiges hier, eine entspannte Fußgängerzone, Ostblock-Flair in den Vorstädten. Über die grüne Grenze erreichen wir am Abend des ersten Reisetags schon das 3. Land: Ungarn. Im ersten Dorf ist der einzige Geldautomat kaputt, und im Dorfladen ist das Angebot bescheiden. Spaghetti, Würstchen und Tomatensoße, mit Kreditkarte bezahlt, und wir sind „gerettet“. Einem ersten Abend in der „Wildnis“ steht nichts im Wege. Wir finden an einem der vielen Flussarme einen guten Platz zum Zelten. Beim Baden schreckt Rolf einen Biber auf. Frischer Bärlauch wächst im Überfluss und ergänzt unser Menu. Baden, Kochen, Zelt aufbauen, das abendliche Ritual. Wir finden uns langsam wieder im Reisemodus ein. Eine Nachtigall singt ihr Abendkonzert. Dann ist absolute Ruhe.
Am nächsten Vormittag verlassen wir den Donauradweg schon bald, und fahren auf Nebenstraßen und Feldwegen durch hügeliges Agrarland, kleine Dörfer und die Stadt Györ. Würden wir der Donau folgen, müssten wir am „Donauknie“ einen großen Schlenker machen und dann Budapest durchqueren. Da kürzen wir lieber ab. Der Gegenwind bleibt uns treu, wie wir hat er jetzt seine Richtung geändert und kommt geradewegs aus Südosten. Der Himmel zieht sich zu, die angekündigten Unwetter nahen. An diesem Abend schlagen wir unser Zelt in einem Dickicht am A… der Welt auf, gerade noch rechtzeitig, bevor mit Sturmböen ein Dauerregen einsetzt.

Nach 12 Stunden im Zelt erlaubt ein moderater Nieselregen die Weiterfahrt. Bei 7 Grad Celcius packen wir das nasse Zelt ein und setzen unsere Fahrt auf einer Nationalstraße fort, der N 82, um mit möglichst wenigen Höhenmetern eine kleine Bergkette zu überqueren. Bei Regen, Gegenwind und viel Verkehr ist das keine wirkliche Freude. Ich taufe diese Gegend die „Ungarische Schweiz“, denn es gibt tatsächlich einen Skilift. Ziemlich hungrig und durchnässt erreichen wir das Städtchen Zirc und suchen vergeblich nach einem warmen Mittagessen. Aber das einzige Restaurant ist von einer Hochzeitsgesellschaft reserviert. Das erste richtige Stimmungstief: wir hocken auf dem Penny-Parkplatz und essen auf die Schnelle ein Brot. Weiter geht es durch die Kälte, jetzt abwärts, in die Stadt Veszprem. Hier können wir uns im Burger King bei heißem Kaffee endlich aufwärmen und buchen kurz entschlossen für denselben Abend eine Ferienwohnung am Ostufer des Plattensees. Noch vier weitere Tage Scheißwetter sind angesagt. Hätten wir das vermeiden können? Die Vorhersagen genauer checken und die Abreise um eine Woche aufschieben? Bestimmt wären wir dann woanders und zu einem anderen Zeitpunkt zu spät dran gewesen. Hätten… wären… wer kann das schon wissen?
Weiter fahren wir auf Landstraßen durch Ungarn, durch unvorstellbar große Felder und halb verfallene Dörfern mit den Ruinen ehemaliger LPGs. Dunkelhäutige Jugendliche lungern auf einer Dorfstraße herum. Eine Pferdekutsche begegnet uns, auf dem Kutschbock thront wie Graf Dracula ein finster blickender Herr mit Hut und schwarzem Anzug, hinten drauf lümmelt mit debilem Grinsen und Zahnlücke sein Knecht. Man fühlt sich in eine andere Welt und um 100 Jahre zurückversetzt. An geschätzt der Hälfte der Häuser hängt ein Schild: „Elado“, zu verkaufen.
Noch einmal verbringen wir eine Regennacht im Zelt, in der Nähe eines Biotops, in dem unzählige Frösche mit ihrem Gequake zu Hochform auflaufen. Ich liege lange wach, inmitten dieser übermächtigen Präsenz des Elements Wasser, und lausche. Manchmal übertönt das Regenprasseln die Frösche, manchmal umgekehrt.

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An Tag 5 stoßen wir wieder auf den Donauradweg. Viele Kilometer zieht er sich auf Deichen entlang durch Niemandsland. Kein Mensch weit und breit. Im Regen wird das Radfahren irgendwann wie losgelöst von Raum und Zeit. Nur Trampeln und Atmen ist zu tun, sonst nichts. Kein Rechnen, wie weit es noch ist, kein Hoffen auf ein Ende des Regens, auch kein Gedanke, wie schön es hier wäre bei Sonnenschein. Es regnet eben. Da, ein Mensch! Eine einsame Wanderin zieht unverdrossen ihres Weges. Eine kurze Begegnung, nur ein paar Worte, ein aufmunternder Blick, und beglückt zieht jeder für sich weiter.
Am 6. Tag geht der Weg für einen Tag durch den äußersten Osten von Kroatien. Hier ist der „Amazonas Europas“, ein großes Naturschutzgebiet mit einem Gewirr aus Sümpfen und Wasserarmen, wo man Reiher, Schwäne, Fasane und Wildschweine beobachten kann. In Osijek suchen wir uns für die Nacht ein Zimmer, und das ist gut so, denn es regnet wieder pausenlos.

3 Kommentare zu „2023: Balkan – Türkei – Kaukasus

  1. Wow, ihr tapferen Helden. Werde ab Sonntag durch Flandern radeln, allerdings mal wieder in ner Gruppe und Hotels. Doch das Wetter soll auch ungemütlich werden. Bin gespannt wie eure Reise weitergeht. LG Gabriele

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  2. Hallo Mecki und Rolly, letztes Jahr waren wir auch im Balkan unterwegs, in Kroatien und Bosnien-Herzegowina. Ab Mitte August startet unsere diesjährige Fahrradtour in Tiflis. Von dort wollen wir wieder Richtung Heimat radeln. Mal sehen, ob wir es bis Ende November bis nach Griechenland schaffen… Jetzt haben wir gedacht, dass wir schon mal eure Erfahrungen in Georgien und der Türkei lesen können. Aber leider seid ihr noch nicht soweit. Ist ja auch immer ein großer Aufwand und kostet Kraft, nachdem man so schöne Erlebnisse unterwegs hatte und dann zu Hause der Alltag anfängt. Na vielleicht kommen eure Berichte und unsere Tour sich in den nächsten Wochen entgegen 🙂
    Erstmal danke fürs teilen und es war schön mal wieder von euch zu hören.
    Liebe Grüße
    Ute und Eddy

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    1. Hallo, Ute und Eddy. Auch schön, wieder mal von euch zu hören, dachten schon, ihr seid in Fahrrad-Rente gegangen😆
      Euer Timing ist ne gute Idee, da ists nicht mehr so heiß, und im Balkan (hoffentlich) noch nicht kalt. Swanetien ist natürlich ein Muss.
      Na, dann müssen wir uns beeilen mit den weiteren blogeinträgen, der Text ist fast fertig, aber das Fotos-Aussuchen dauert immer. Und zu Hause hat man erstmal nen Haufen unliebsamer Sachen zu erledigen.
      Ihr habt wahrscheinlich schon Tickets, wir waren sehr zufrieden mit Wizzair, von Eriwan aus.
      Denn wünschen wir einen schönen Start.
      Mecki & Rolf

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